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Hexen und Teufel unter sich „Und
noch einmal, Zenturo“, jubelte Eurelia. „Jetzt genieß es doch endlich
und hör auf zu schmollen.“ Mit diesen Worten stieß sie sich mit den
Stiefeln ab und rutschte in den verschneiten Hang. Unter dem kleinen
Holzschlitten suchten sich die Kufen ihren Weg ins Tal. Ab und zu
setzte sie einen Fuß auf den vorbeifliegenden Untergrund, korrigierte
so ihre Richtung und blieb in der Bahn. Kalter Fahrtwind blies über
ihre Wangen, doch ihre dicke rote Jacke und die Pudelmütze, die sie
sich bis tief in die Stirn gezogen hatte, hielten sie warm. In grünen
Fäustlingen steckten ihre Hände, die eine Kordel festhielten, mit der
sie den Schlitten ziehen konnte. Was für ein wunderbarer Tag,
dachte sie. Dann schaute sie kurz in den Himmel. Aufziehende Wolken
kündigten Nachschub an. Schade aber auch, dass sich Zenturo standhaft
weigerte, Spaß zu haben. Sie spürte, wie sich der Kater dicht an ihren
Rücken drückte und maunzte. Innerlich stieß sie einen Seufzer aus.
Sollte er doch die beleidigte Leberwurst spielen. In sein Körbchen kam
er noch früh genug. Sie wollte nicht nach Hause. Schon gar nicht wegen
ihm. Bei dem schönen Wetter mussten sie einfach an die frische Luft. „Jetzt schau halt mal nach
vorne“, rief sie ihm gleich darauf aufmunternd zu, aber nichts half.
Zenturo presste sich nur fester an sie. Gut die Hälfte der Piste lag nun
hinter ihr, als zu ihrer Linken zwei kleine Hexen mit langen grünen
Haaren auftauchten. Unter ihren dicken Daunenjacken quollen bunte Röcke
hervor. Sie stutzte. Wer war das
denn? Die beiden sah sie heute zum ersten Mal. Hintereinander saßen sie
auf einem Schlitten, der auch noch um einiges größer war als ihrer. Das
konnte gefährlich werden. In dem Moment wurde sie jubelnd von ihnen
überholt. Eurelia kniff die Augen zusammen, lehnte sich, ohne zu
bremsen, nach rechts und nahm die nächste Kurve in haarsträubendem
Tempo. Doch es half nichts. Sie war zu langsam und konnte zusehen, wie
sich der Abstand zwischen ihnen vergrößerte. Zu ihrer Zufriedenheit fuhr nun
kein weiterer Schlitten mehr vor ihr. Den Rest der Strecke hatte sie
ganz für sich alleine. Kein Teufel, kein Gespenst und schon gar keine
Hexe konnte es heute mit ihr aufnehmen. Sie war einfach zu gut. „Fliiieg!“, schrie sie im letzten Moment. Gleichzeitig riss sie die Kordel in die Höhe. Der Rodel peitschte zwischen den Ästen zweier Büsche hindurch und hob gerade noch rechtzeitig ab. In einem langgezogenen wackeligen Bogen schossen sie über den breiten Bach. Kurz darauf setzten sie mit der Schnauze voran auf der anderen Seite auf. Durch den Aufprall verlor sie den Halt und wurde zwischen die Bäume katapultiert. Dann landete sie bäuchlings in einer Schneewehe. Dabei tunkte sie ihre lange Hakennase tief hinein. Sofort hob sie ruckartig den Kopf, schnappte nach Luft und bekam mit, wie Zenturo laut fauchend ein paar Meter weiter im tief verschneiten Untergrund verschwand. Nur knapp verfehlte er den dicken Stamm einer Eiche. Glück gehabt. Für einen Moment horchte sie in sich hinein. Nichts tat weh. Sie schien unverletzt zu sein. „Das ist ja gerade nochmal gut gegangen“, murmelte sie und war erleichtert. Lachend rappelte sie sich jetzt auf und klopfte mit kräftigen Schlägen die weißen Flocken von ihrem Rock, dass es nur so staubte. Mit den Fäustlingen wischte sie sich ein paar Male über die Ärmel ihrer Jacke und schüttelte sich. Dann stapfte sie zu ihrem Kater, der eine kleine Kuhle in den Schnee geschlagen hatte und sich nicht rührte. Nun doch etwas besorgt hockte sie sich neben ihn. „Zenturo?“, sprach sie ihn an. Mit geschlossenen Augen lag er
auf der Seite. Hoffentlich war ihm nichts passiert. Doch seine
Barthaare bebten und wiesen darauf hin, wie sauer er sein musste.
Wahrscheinlich war er nicht nur sauer, sondern stinkwütend auf sie.
Schuldbewusst schlüpfte sie aus den Fäustlingen, beugte sich vor und
kitzelte ihn unter dem schwarzen Kinn. Nichts regte sich. „Ooooch
Zenturo, mein liebes kleines Katerchen“, flötete sie dabei. „Nicht böse
sein, mein Liebling. Komm, steh auf“, versuchte sie, ihn zu
beschwichtigen. Dann fuhr sie ihm mit der Hand über den Bauch und
streichelte ihm den Schnee aus dem Fell. Das Tier blieb jedoch
regungslos liegen und gab keinen Mucks von sich, nur die Barthaare
bewegten sich. „Zentuuuro…“, säuselte sie weiter, wanderte nun mit den
Fingern zum Ohr und kraulte ihn. „Es macht sooo einen Spaß.“ Endlich kam Zenturo auf die
Pfoten. Dann stolzierte er hoch erhobenen Hauptes an ihr vorbei. Gleich
darauf sprang er mit einem eleganten Satz auf den Schlitten und fuhr
sich nun ausgiebig mit der Zunge über das Fell. In der Zwischenzeit hatte sich
auf der anderen Seite des Baches ein bunter Haufen Hexen, Gespenster
und Teufel eingefunden. Sie starrten mit großen Augen zu ihr herüber
und verfolgten jede ihrer Bewegungen. Eurelia packte ihren Rodel
mitsamt dem darauf thronenden Zenturo, ging kurz in die Knie und tat
so, als ob sie den Schlitten über den Bach werfen würde. Dabei murmelte
sie: „Schweb dahin mit sanfter Brise, sonst kriegt der Kater eine
Krise.“ Der schwarze Teufel mit den
roten Hörnern, der den Abstecher in den Wald gemacht hatte, kam langsam
auf sie zu. „Wow! Wie hast du das denn gemacht?“, fragte er und schaute dabei mit großen Augen zu ihr auf. „Ach was.“ Sie setzte eine
unschuldige Miene auf. „Ich habe nicht aufgepasst, war zu schnell und
konnte nicht mehr bremsen. Aber der Schwung war groß genug, so dass ich
es gerade noch auf die andere Seite geschafft habe. Es war aber
ziemlich knapp“, lachte sie. Dann bückte sie sich und schnappte sich
die Kordel ihres Schlittens. Langsam sollte sie von hier verschwinden.
Es wurden schon zu viele Fragen gestellt. „Und zurück habe ich ihn halt
geworfen“, fügte sie noch schnell hinzu. „Da ist doch nichts dabei, ich
bin kräftig.“ Um den eingeschnappten Kater
nicht wieder herunter zu schmeißen, zog sie jetzt vorsichtig an dem
Schlitten und trat den Heimweg an. Den Kindern winkte sie zum Abschied
zu. Die Zweifel standen ihnen ins Gesicht geschrieben, aber das
kümmerte sie nicht weiter. Zufrieden stapfte sie durch den Schnee und
erreichte schließlich die Bahngleise, denen sie nun folgte, um nach
Hause zu gelangen. Kurz darauf kamen sie zu dem Bahnwärter-häuschen, in
dem sie beide lebten. Sie freute sich auf eine große Tasse heiße
Schokolade. „Ach Zenturo“, seufzte sie nun. „Ich liebe die Faschingszeit, wenn alle so aussehen wie ich.“ © 2021 by Martina Türschmann - www.miesegrimm.de
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